Kinder optimal fördern – mit Musik

Sensationell sind die Ergebnisse im Ablehnungsbereich: Der Anteil der Kinder, die keine einzige (!) Ablehnung erhalten (Soziogramm: Den Schüler mag ich nicht), ist in der Modellgruppe über alle Messzeitpunkte bedeutsam höher als in der Kontrollgruppe und zwar im allgemeinen doppelt so hoch (z.B. nach dem 4. Schuljahr erhalten 62% der Kinder in der Modellgruppe keine einzige Ablehnung vs. 34% in der Kontrollgruppe).

Umgekehrt formuliert: Die Quote der einfach und mehrfach geäußerten Antipathien ist in nicht musizierenden Grundschulklassen nahezu kontinuierlich doppelt so hoch wie in Musikklassen.

Ensemble-Musizieren, sei es in der Familie, in der Schule oder in der Laienmusik, fordert und fördert das Miteinander-Schaffen, das Voneinander-Lernen, das Aufeinander-Zugehen, das Füreinander-Da-Sein in der gemeinsamen Verantwortung für das Gelingen des Ganzen.

Die fundamentalen sozialen Für-, Mit-, Von-, Auf- und Zu- Bezüge sind Merkmale und Bedingungen einer lebendigen häuslichen und gesellschaftlichen Gemeinschaft.

2. Musik öffnet den Menschen: Keine Frage: Musik ist die sozialste aller Künste, ein Kontaktmedium par excellence. In Anlehnung an Nietzsche können wir festhalten: Ohne Musik ist das Leben ein Irrtum.

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Der Umgang mit Musik “öffnet” den Menschen zum Mitmenschen. Sozialethische Werte und eine sensible moralische Sozialisierung müssen in der Erziehung junger Menschen dringend einen neuen Stellenwert bekommen.

Im Schüttelbecher dieses Jahrhunderts sind nämlich viele ehemals gesicherte Werte suspekt, in Frage gestellt und dann unsicher geworden. Wozu brauchen wir noch Werte, wenn wir den DAX haben, und (zu) viele Kinder schauen auf die Marke und nicht mehr auf die Mark.

Wertbegriffe der philosophischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts wie Autonomie, Humanität, Toleranz, Sachlichkeit, Klarheit, die Erziehung weltweit bestimmten, scheinen vielfach bedroht.

Psychische Macht der Musik gegen physische Gewalt!: Unser Appell: Musik und insbesondere eigenes Musizieren sind “eine” soziale Chance in der Pro- und Metaphylaxe von Aggressionen unter Kindern und Jugendlichen, wirken also gewaltpräventiv. Wir sollten unserer Gesellschaft, d.h. nichts anderes als uns selbst eine Chance geben und gegen die physische Gewalt die psychische Macht der Musik setzen.

Ein Versuch wäre es allemal Wert, würde man im späteren Alter hohe Ausgaben in kostspielige soziale Resozialisierungsmaßnahmen und Psychiatrien sparen. Der Schweizer Theologe Leomhard Ragaz brachte es auf den Punkt, wenn er zeitgeistig pointiert: Der Geist der Gewalt ist so stark geworden, weil die Gewalt des Geistes so schwach geworden ist.

Zur Intelligenzentwicklung: Bereits für 6-7jährige Kinder stellen wir einen monoton-steigenden Zusammenhang zwischen musikalischer Begabung und Intelligenz fest. Mit höherem Musikalitätswert steigt auch der Intelligenzquotient (= IQ). Damit bestätigen sich für eine frühe Altersstufe solche Forschungsergebnisse, die einen Zusammenhang von Musikalität und Intelligenz konstatieren.

Beide Stichprobengruppen entwickeln sich – bezogen auf ihre IQ-Mittelwerte nach einem kulturunabhängigen Intelligenztest – in den ersten Jahren ihrer Grundschulzeit zunächst nicht sehr unterschiedlich.

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Nach 4 Jahren “erweiterter” Musikerziehung kommt es jedoch zu einem signifikanten IQ-Zugewinn bei Kindern aus musikbetonten Grundschulen (IQ-Mittelwert Modellgruppe 111 vs. Kontrollgruppe 105).

Kinder aus der Modellgruppe, die bereits zu Projektbeginn überdurchschnittliche IQ-Werte erreicht haben, steigern diesen kognitiven Begabungsvorteil nochmals signifikant deutlicher als Kinder aus der Kontrollgruppe.

Sozial benachteiligte und in ihrer kognitiven Entwicklung weniger geförderte Kinder (mit unterdurchschnittlichem IQ) profitieren ebenso vom Umgang mit Musik. Sie legen über die Jahre hinweg in der Tendenz kontinuierlich zu, was für unterdurchschnittlich kognitiv begabte Kinder ohne dieses Treatment nicht so bilanziert werden kann. Dies ist das sozialpolitisch relevanteste Ergebnis aller IQ-Befunde. Warum dürfen wir einen positiven Zusammenhang zwischen Intelligenz und Musik vermuten?

Vom Blatt-Spielen erfordert die schnelle und gleichzeitige Verarbeitung von Informationen in extremer Fülle und Dichte (Noten, Takt, Tempo, Lautstärke, Agogik, usw.). Abstraktes und komplexes Denken sind beansprucht, auch im Voraus- und Nachhören der Musik zum gerade gespielten Takt. Bei keinem anderen Fach, bei keiner anderen Tätigkeit muss ein Kind so viele Entscheidungen gleichzeitig treffen und diese kontinuierlich über solche Zeitstrecken hinweg abarbeiten.

Diese Kombination von konstanter, kontinuierlicher Achtsamkeit und Vorausplanung bei ständig sich verändernder geistiger, psychischer und physischer Beanspruchung konstituiert eine erzieherische Erfahrung von einzigartigem und daher unverzichtbarem Wert. Musik ist stets ratio, emotio und motio in einem Aneignungsprozess.

Anders gesagt: Ein Instrument zu spielen ist eine der komplexesten menschlichen Tätigkeiten. Schon bei einfachsten Stücken werden Fähigkeiten des Intellekts (Begreifen), der Grob- und Feinmotorik (Greifen), der Emotion (Ergreifen) und der Sinne beansprucht.

Die präzise Koordination der Hände und Finger auf Saiten oder Tasten verlangt eine ausgeprägte Feinmotorik und räumliches Vorstellungsvermögen (Ergebnisse der neueren Hirnforschung bestätigen diese Befunde)(3).

Wenn aber Musikerziehung die Intelligenz vor allem auch kognitiv weniger entwickelter Kinder vorteilhaft fördern kann, dann folgt daraus: Bildungspolitik mit Musik ist die beste Sozialpolitik! Eltern, die ihre Kinder in ihrer Entwicklung optimal fördern wollen, und wer wollte dies nicht, sollten ihre Jüngsten möglichst früh ein Instrument lernen lassen – und zwar das Wunschinstrument des Kindes selbst.

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3. Konzentration: Für die Gesamtstichprobe heutiger Grundschulkinder lässt sich bilanzieren, dass die Fähigkeit zur konzentrierten Wahrnehmung von der 1. bis zur 6. Klasse im Trend eher nachlässt, was sicher auch auf zunehmende Umwelt- und insbesondere Medieneinflüsse zurückgeführt werden kann.

Erfreulich ist die Bilanz für Lehrer aller Fächer: In der Modellgruppe gibt es weniger schwache und weniger extrem schwache Konzentrationsleistungen als in der Kontrollgruppe. Dies bedeutet, dass das Musizieren besonders Kindern mit hohen Konzentrationsdefiziten interventiv und kompensativ helfen kann.

4. Musikalische Begabung/ Leistung/ Kreativität: Wie nicht anders zu erwarten war: Kinder der musikbetonten Grundschulen schneiden in allen musikalischen Begabungs-, Leistungs- und Kreativitätstests über die Zeit hinweg besser ab als Kinder aus der Kontrollgruppe.

Lernübertragungen des Umgangs mit Musik erfolgen zunächst immanent auf höhere Fähigkeiten und Fertigkeiten im eigenen Fach (vertikale Transfereffekte), auf eine verbesserte musikalische Kompetenz.