FOLGET NICHT DER TROMMEL TON
ANTIKRIEGSLIED

Folget nicht der Trommel Ton
1. Mit jammervollem Blicke
mit großen Sorgen schwer,
geh’ ich an meinen Krücken
die weite Welt umher,
geh’ ich an meinen Krücken
die weite Welt umher.
2. Ich war ein tapf’rer Krieger,
sang manch’ Soldatenlied,
in meinen vollen Gliedern
jetzt bin ich Invalid,
in meinen vollen Gliedern,
jetzt bin ich Invalid.
3. Weiß Gott, hab viel gelitten,
gefochten manchen Kampf,
für’s Vaterland gestritten,
geschmeckt den Pulverdampf,
für’s Vaterland gestritten,
geschmeckt den Pulverdampf.
4. Ich stand bei Sturm und Regen,
bei großer Mitternacht,
bei Blitz und Donnerschlägen
oft einsam auf der Wacht,
bei Blitz und Donnerschlägen
oft einsam auf der Wacht.
5. Mir drohten oft Geschütze
den fürchterlichsten Tod.
Ich trank aus mancher Pfütze
und aß verschimmelt Brot,
Ich trank aus mancher Pfütze
und aß verschimmelt Brot.
6. Ich bettle vor den Türen,
ich armer, lahmer Mann.
Ach Gott, wen wird es rühren?
Wer nimmt sich meiner an?
Ach Gott, wen wird es rühren?
Wer nimmt sich meiner an?
7. Sah manchen Kameraden
an meiner Seite todt,
musst’ oft im Blute waden,
wenn es mein Herr gebot,
musst’ oft im Blute waden,
wenn es mein Herr gebot.
8. Bedeckt mit dreizehn Wunden,
an meine Krück’ gelehnt,
hab ich zu manchen Stunden
mich nach dem Tod gesehnt.
hab ich zu manchen Stunden
mich nach dem Tod gesehnt.
9. Und da er mich verschonet,
werd’ ich noch fern vom Grab,
für Kampf und Schmerz belohnet
mit diesem Krückenstab,
für Kampf und Schmerz belohnet
mit diesem Krückenstab.
10. Ich rat euch’s, Brüder alle
folgt nicht der Trommel Ton
und dem Trompetenschalle,
sonst kommt ihr in meinen Lohn!
und dem Trompetenschalle,
sonst kommt ihr in meinen Lohn!
Folget nicht der Trommel Ton
Das Lied „Folget nicht der Trommel Ton“, dessen letzte Strophe mit den Worten „Ich rat euch’s, Brüder alle, folgt nicht der Trommel Ton“ endet, ist weit mehr als nur ein altes Soldatenlied. Es ist eine bewegende Anklage gegen den Krieg und seine verheerenden Folgen – für den Einzelnen ebenso wie für die Gesellschaft. Aus der Perspektive eines gebrochenen Veteranen verfasst, erhebt das Lied die Stimme der Leidenden, der Vergessenen und der Enttäuschten, die einst für Ruhm und Vaterland kämpften und am Ende nur Schmerz, Armut und Einsamkeit ernteten.
Bereits die ersten Verse führen die Hörer in die Lebenswirklichkeit des lyrischen Ichs: Ein verwundeter, alter Soldat zieht an Krücken durch die Welt, gezeichnet von körperlichem Leid und innerer Trauer. Er war einst ein „tapf’rer Krieger“, doch nun ist er ein „Invalid“. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht den tiefen Fall des einst stolzen Soldaten. Das, was einst als Ehre galt, hat ihn zerstört. Seine körperlichen Wunden stehen sinnbildlich für die seelischen Narben, die der Krieg hinterlässt – bei den Überlebenden ebenso wie bei den Angehörigen der Gefallenen.
Das Lied entlarvt die Verherrlichung des Krieges somit als grausame Illusion. Die im letzten Vers genannte Trommel symbolisiert die Propaganda, den militärischen Gleichschritt und den verführerischen Klang, der junge Männer zum Kampf ruft. Ihr Ton steht für Patriotismus, Pflichtgefühl und Ehre – Begriffe, die in Kriegszeiten oft benutzt werden, um Menschen zu opfern. Doch der Sprecher warnt: Wer diesem Ruf folgt, wird am Ende sein Schicksal teilen. „Sonst kommt ihr in meinen Lohn“, heißt es warnend. Der Lohn des Krieges ist nicht Ruhm, sondern Elend.
Besonders eindrucksvoll ist, wie das Lied den Gegensatz zwischen Ideal und Realität aufzeigt. In den mittleren Strophen schildert der Veteran seine Erlebnisse an der Front: Hunger, Kälte, Regen und Tod. Er stand „bei Blitz und Donnerschlägen oft einsam auf der Wacht“, trank „aus mancher Pfütze“ und sah „manchen Kameraden tot“. Diese drastischen Bilder nehmen dem Krieg jede Romantik. Sie erinnern daran, dass hinter jedem patriotischen Aufruf menschliches Leid steht.

Das Lied entstand vermutlich im 19. Jahrhundert, einer Zeit, in der Europa von Kriegen erschüttert wurde – von den Napoleonischen Kriegen bis zu den nationalen Einigungskämpfen. Viele Soldaten kehrten verwundet und verarmt zurück, ohne Unterstützung oder Anerkennung zu erhalten. In dieser historischen Realität wurzelt der Text. Er gibt den Stimmlosen eine Stimme: all jenen, die geopfert wurden, während die Mächtigen ihre Siege feierten.
Gleichzeitig hat das Lied eine zeitlose Botschaft. Auch heute noch werden Kriege mit ähnlichen Worten gerechtfertigt, beispielsweise mit der Verteidigung von Freiheit, Ehre oder Sicherheit. Doch die Opfer sind stets dieselben: einfache Menschen, Familien, Kinder. In diesem Sinne ist „Folget nicht der Trommel Ton“ ein universelles Friedenslied. Es ruft nicht zu passivem Stillhalten auf, sondern zu bewusstem Widerstand gegen blinden Gehorsam. Der Aufruf „Folgt nicht der Trommel Ton” bedeutet: „Denkt selbst, lasst euch nicht verführen, erkennt den wahren Preis des Krieges!”
Für den Frieden einzustehen bedeutet, Menschlichkeit über nationale oder militärische Interessen zu stellen. Freiheit, so legt das Lied nahe, kann nur bestehen, wenn Menschen nicht mehr gezwungen werden, einander zu töten. Echte Freiheit ist die Freiheit, nicht zu marschieren, nicht zu gehorchen, nicht zu hassen.
Der alte Soldat im Lied ist daher nicht nur eine tragische Figur, sondern auch ein Mahner. Er verkörpert die Erkenntnis, die erst nach der Katastrophe kommt – eine Erkenntnis, die kommende Generationen vor derselben Dummheit bewahren soll. Sein gebrochener Körper wird so zum Symbol des Widerstands gegen Gewalt.
In einer Welt, in der Krieg immer noch als Lösung propagiert wird, bleibt diese Botschaft aktuell: Frieden ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Entscheidung. Wer den Trommelton verweigert und sich nicht von Parolen treiben lässt, setzt ein Zeichen für Menschlichkeit. So wird das alte Lied zu einem Appell an unser Gewissen. Mögen wir nicht den Klang der Trommel hören, sondern den Ruf des Friedens.









